Die Weihnachtsgeschichte – und was sie mit dir zu tun hat
Was bisher geschah
Maria und Joseph sollen kurz vor der Geburt nach Bethlehem. Grund dafür ist eine Volkszählung, ausgehend von Augustus, die keine Rücksicht auf Bedürfnisse der Einzelnen nimmt. Die Zählung, ein Versuch alles messbar zu machen, um den Fluss von Macht und Geld zu optimieren. Zahlen und Fakten im Kontrast zu Wärme und Menschlichkeit. Materielles, im Kontrast zu seelischem. Und in diese Stimmung hinein wird ein Kind geboren. Rein, unschuldig, wehrlos, angewiesen.
Glücklicherweise sind da liebevolle Eltern, Tiere, Hirten und sogar 3 Könige mit Geschenken, die es in dieser Welt willkommen heißen.
Mehr als nur eine Geschichte!
Wir können die Geschichte einfach als Geschichte nehmen oder wir schauen, was sie mit uns zu tun hat. Wie du ja weißt mag ich Teilearbeit sehr gerne und es ist doch außerordentlich spannend, was geschieht, wenn wir die Weihnachtsgeschichte auf unsere Anteile anwenden.
Worum geht es in der Weihnachtsgeschichte? Spoiler: um die Heilung unserer kindlichen Anteile.
Innerer Augustus – Kritiker, Antreiber, Perfektionisten
Wer kennt ihn nicht, den inneren Augustus? Die innere Volkszählung, die zur Optimierung unseres Lebens aufruft? „Du bist nicht gut genug“, „Du schaffst es nicht“, „Du musst dich mehr anstrengen und besser sein“ ist sein Kredo. Unser innerer Augustus wird landläufig auch innerer Antreiber oder innerer Kritiker genannt. Für ihn sind wir noch nicht gut genug. Es gibt immer was zu optimieren, zu verbessern, immer noch etwas, was wir noch tun können oder was nicht gut genug ist.
Doch wie entsteht so ein innerer Augustus eigentlich?
Das was wir als Kind wiederholt erleben speichern wir als Blaupause in uns ab. Wir nehmen es in uns hinein. Der Fachbegriff dafür ist „Introjektion“. Wir beginnen als Kind die Umstände in denen wir uns befinden vorherzusagen, indem wir die Reaktionen der für uns relevanten Personen simulieren. „Wie wird Papa reagieren, wenn ich dies oder das mache?“, „Was muss ich tun, um eine positive Reaktion von Mama zu erhalten?“. Auf diese Art und Weise machen wir die Welt für uns vorhersagbar, so dass wir besser in ihr navigieren können.
Gleichzeitig nehmen wir die Standards, Werte und Bewertungen unserer Person und unseres Handelns in uns auf. Und die sind nicht immer hilfreich. Innere Antreiber und Kritiker sind also Simulationsprogramme in uns, die wir entwickelt haben, um mit den Umständen, in denen wir uns befanden, besser zurecht zu kommen.
Das „Jesuskind“ in der Geschichte steht für die verletzlichsten und angewiesensten Anteile in uns
„Da liegt es, das Kindlein auf Heu und auf Stroh“ – komplett angewiesen, hilflos und gleichzeitig bezaubernd und liebenswert.
Die Weihnachtsgeschichte stellt eine der grundsätzlichsten Fragen: Wie gewollt sind wir? Wie wurde mit unserer Hilflosigkeit und unserem Angewiesensein umgegangen? Sagt die Welt „Ja!“ zu uns? Wurden wir in der Weise im Leben willkomen geheißen, wie es ein Kind verdient hat?
Wärme, Liebe und Nähe unter widrigen Umständen
In der Weihnachtsgeschichte gibt es widrige Umstände. Das ist ganz offenkundig. Kalt, heimatlos, menschenfeindlich sind die Umstände, die das Kind erwarten. Und so ist die Welt leider oft. Nicht optimal. In der Weihnachtsgeschichte haben wir aber innerhalb dieser nicht optimalen Welt das Beste, was einem Kind passieren kann.
Maria, Joseph, die Tiere, die Hirten (auch ein schönes Symbol – sie schützen und behüten ihre Schäfchen), die 3 Könige und sogar Engel sind da. Sie alle heißen das Kind willkommen und versorgen es mit den ihnen eigenen Qualitäten. Liebe, weltlicher und himmlischer Schutz, Geborgenheit, Anerkennung.
Wäre es nicht das, was jedes Kind verdient hat? Auf diese Weise in Empfang genommen zu werden, den Umständen zum Trotz?
So eine Erfahrung würde dafür sorgen, dass sich statt inneren Kritikern und Antreibern, Urvertrauen, Verbundenheit und Selbstwert bildet. „Du bist gut so wie du bist“, „Du bist gewollt! Bedingungslos!“ oder ähnliches wären die entsprechenden Sätze.
Projektionen und ähnliches
In einer Welt, in der die „Augustus-Mentalität“ überhand hat, gibt es nun also einen Tag, der sich ganz den Bedürfnissen des inneren Kindes widmet.
Kein Wunder, dass dieses Fest, das sich um diese Geschichte, über die Heilung des inneren Kindes, rankt und die gleichzeitig die Grundlage des christlichen Glaubens darstellt, zu Projektionen einlädt. Verherrlichung und Idealisierung auf der einen Seite und Ablehnung und Lächerlichmachen von Besinnlichem auf der anderen.
Auch hier sind es innere Antreiber „alles muss perfekt sein“ und innere Abwerter/ Kritiker „Das geht gar nicht / So ein Schwachsinn“ und wir sind schon wieder voll drin, in der Weihnachtsgeschichte. Die „Augustus“-Anteile spielen ihr Spiel.
Weihnachten – das Fest der Heilwerdung
Hinter jedem inneren „Augustus“ gibt es ein inneres Kind, das leidet. Diese Kindanteile in uns zu finden, sie zu sehen mit den Umständen in denen sie waren und sie liebevoll in den Arm zu nehmen und willkommen zu heißen. Das ist eine Facette von dem, was Heilung bedeutet. So gesehen ist die Weihnachtsgeschichte eine Heilungsgeschichte. Und die berührt uns, weil es hier nicht nur um Jesus geht, sondern um uns. Um unsere inneren Kinder. Das Weihnachtsfest – das Fest des voll und ganz willkommen geheißenen inneren Kindes. Statt Idealisierung oder Ablehnung wäre vielleicht Mitgefühl mit uns und den anderen, mit den Umständen, den wir ausgesetzt waren und auf die wir mit unseren Augustus-Programmen reagiert haben, eine Variante, die uns mehr verbindet als trennt.
In diesem Sinne wünsche ich dir frohe Weihnachten!